Die Meistersinger von Nürnberg in der Deutschen Oper Berlin
Von Almira Emiri
13.06.2022
Die Neuinszenierung von Wagners 5-Stündiger Oper hinterließ große emotionale Gefühle bei den Zuschauern
Richard Wagners einzige heitere Oper ist ein sehr komplexes Werk.
Es geht um die Rolle von Kunst und Kultur und welche Macht dies über uns Menschen hat.
Durch Musik und Poesie wird offenbar, dass Kunst ewig ist und politische Ereignisse bei weitem überdauert.
Die Liebesgeschichte zwischen Walther von Stolzing und Eva Pogner vermittelt eine dreifache Botschaft: Philosophisch geprägt durch Arthur Schopenhauer, ästhetisch geprägt von Hans Sachs und politisch geprägt durch den Nationalstolz im Deutschen Kaiserreich.
Handlung
- Akt – Mitte des 16. Jahrhunderts. Der junge Ritter Walther von Stolzing trifft in Nürnberg bei einem Gottesdienst die hübsche Eva Pogner und verliebt sich sofort in sie. Seine Gefühle werden von ihr erwidert. Veit Pogner, Evas Vater und Meister der Goldschmiedekunst, hat beschlossen, seinen gesamten Nachlass und seine Tochter an den Gewinner eines Gesangswettbewerbs am Johannistag zu vergeben. Walther nimmt deshalb an einer Gesangsprobe teil, in der er leider scheitert. Einer der Juroren, Hans Sachs, sieht aber das Potenzial von Walthers leidenschaftlichem Gesang.
- Akt – Nachdem Eva erfährt, dass Walther in der ersten Runde gescheitert ist, berät sie sich mit Sachs. Da Sachs selbst an ihrer Liebe interessiert ist, will er ihr keine Ratschläge geben. Jedoch ist er viel zu alt für Eva. Sachs beschließt deshalb, seine Gefühle aufzugeben und dem jungen Paar bei der Erfüllung seiner Wünsche zu helfen.
- Akt – Am nächsten Morgen lädt Sachs Walther zu sich nach Hause ein und empfiehlt ihm, ein Lied zu schreiben, das auf einem Traum basiert.
Walther vollendet sein eigenes Originallied. Nachdem Walther gegangen ist, betritt Sixtus Beckmesser das Haus von Sachs. Auch Beckmesser liebt Eva, und er ist Walthers schärfster Rivale.
Während Beckmesser das von Walther geschriebene Lied findet, glaubt er, dass dieses Lied von Sachs selbst stammt.
Der Liederwettbewerb findet auf dem Pegnitzer Feld statt. Zunächst singt Beckmesser das bei Sachs gefundene Lied. Aber es gelingt ihm nicht es überzeugend vorzutragen.
Daher sagt Hans Sachs zum Publikum: „Das von Beckmesser gesungene Lied ist nicht sein eigenes. Ich möchte den wahren Autor dieses Liedes vorstellen.“
Walther erscheint auf der Bühne und singt das Lied „Das rosige Leuchten der Morgendämmerung“. Alle Juroren und das Publikum sind sofort begeistert. Walther gewinnt den ersten Preis und kann Eva jetzt endlich heiraten.
Kritik
Es war im Zuschauerraum zu spüren, dass diese Neuinszenierung die Besucher tief bewegte – positiv wie negativ.
Beim Applaus waren genauso viele Buhs wie Bravo-Rufe zu hören.
Die Ausstattung der Bühne war eher minimalistisch, die Wände mit einer Holzvertäfelung in typischer Art des Deutschen Bürgertums versehen. Das Regie-Trio aus Jossi Wieler, Anna Viebrock und Sergio Morabito brachte ein minimalistisches Szenario mit maximalem körperlichen und emotionalen Einsatz.
Die Bühne blieb über die drei Akte hin bis auf Nuancen immer gleich.
Für mich hatte die moderne Inszenierung eine eigene dramaturgische Intention und forderte meine ganze Aufmerksamkeit.
Das Regie-Trio legte besonderes Augenmerk darauf, die Musiker in verschiedenen Szenen näher an das Publikum zu bringen, z. B. den Eröffnungschor in eine Zuschauerloge zu platzieren oder die Trompeten auf dem Bühnenbalkon oder zusammen mit den Sängern auf die Bühne zu bringen. Die Platzierung der Sänger oder Musiker an verschiedenen Orten während der Aufführung erzeugte akustisch einen interessanten Klang.
Die Ausstattung mit Neonröhren zusammen mit Kostümen aus den 50er Jahren ließen auf die Zeit nach dem 2. Weltkrieg schließen – Spießigkeit und Heuchelei.
Diese zeitgenössische Inszenierung zeigt eine neue Dimension von Wagners Meisterwerk. Zu Beginn des zweiten Aktes findet im Hintergrund eine heftige Orgie statt, die von den Musikschülern abgehalten wird. Dies zusammen mit der Szene zwischen Eva (Heidi Stober) und Hans Sachs (Johan Reuter), bei der letztere beinahe übergriffig wird, lässt die heutigen Themen von Sexualisierung unserer Gesellschaft und #MeToo anklingen.
Ich denke, dass die Regisseure auf sehr emotionale Weise in die Seele des Publikums eindringen wollten. Obwohl es beim Applaus einen Wechsel von Buh-Rufen und Bravos gab, hatte ich nach dem zweiten Akt das Gefühl, dass der Saal sogar noch voller geworden war…
Musik
Die musikalische Darbietung war großartig.
Vom Tuba-Solo in der Ouvertüre bis zum berühmten „Selig, wie die Sonne meines Glückes lacht“-Quintett.
Die zurückhaltende Architektur des Bühnenraumes ließ der musikalischen Entfaltung freien Lauf.
Heide Stobers Darbietung der Eva war während der gesamten Aufführung wunderbar.
Und Startenor Klaus Florian Vogt als Walther von Stolzing war die perfekte Wahl für diese Rolle.
Johan Reuter, der dänische Bariton, sticht in allen Dimensionen der künstlerischen Darbietung hervor und war für mich der Höhepunkt dieser erstaunlichen Besetzung von Musikern unter der Leitung des ausgezeichneten Dirigenten Markus Stenz.
Meine Gratulation an das gesamte Regie-Team, den Musikern, Chor und dem Orchester.
„Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner
Deutsche Oper Berlin
Premiere war am 12.06.2022
Musikalische Leitung: Markus Stenz,
Inszenierung + Kostüme + Bühne: Jossi Wieler, Anna Viebrock, Sergio Morabito
Mit: Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing), Johan Reuter (Hans Sachs), Heidin Stober (Eva Pogner), Ya-Chung Huang (David), Magdalen (Annika Schlicht), Philipp Jekal (Beckmesser).
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin.
Nächste Vorstellungen am 18., 26. und 29. Juni sowie am 2. und 9. Juli 2022.
Bilderserie mit 4 Fotos der Produktion:
Author: Almira Emiri
Konzert Pianistin